Vor 25 Jahren startete Ulrike Genzwürker in Buchen die Initiative zur Gründung der Selbsthilfegruppe Fibromyalgie
Buchen. (adb) Die Diagnose Fibromyalgie ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Erkrankung anerkannt. Viele Betroffene haben jedoch einen langen Weg von Arzt zu Arzt hinter sich, bevor die Diagnose ausgesprochen wird. Sie leiden ständig unter Schmerzen oder einer Vielzahl von Begleitsymptomen wie Konzentrations- oder Schlafstörungen, Erschöpfung, Darm-/Magenproblemen und mehr. Als Folge dieser immerwährenden Beschwerden kommt es auch zu Depressionen: Man zieht sich immer mehr zurück.
So ging es auch Ulrike Genzwürker aus Buchen, als sie die Diagnose bekam und sich eine Frage stellte: „Was nun?!“. Sie wandte sich zu Beginn des Jahres 1999 an die Rhein-Neckar-Zeitung mit der Bitte, einen Aufruf zu veröffentlichen: „Suche Betroffenen mit der Diagnose bzw. Verdacht auf Fibromyalgie zum Austausch“ war der Wortlaut.
Was dann geschah, übertraf alle Erwartungen: „Das ganze Wohnzimmer war voller Betroffener auf der Suche nach Informationen und Kontakt. Mein Ehemann musste sogar Bierbänke aufstellen“, blickt sie zurück. Schnell war man sich einig: Solche Treffen müssen weiter stattfinden – und so war am 25. März 1999 beim ersten Treffen im Wohnzimmer die Selbsthilfegruppe Fibromyalgie Buchen gegründet.
Bereits am nächsten Tag wandte sich Gruppensprecherin Ulrike Genzwürker an die AOK, deren Buchener Geschäftsstelle sich damals in der Walldürner Straße befand: „Fortan konnten wir den dortigen Veranstaltungsraum nutzen und sind später ins Belzsche Haus umgezogen. Hier hatten wir bis vor wenigen Jahren getroffen, bis der Raum von der JMK-Musikschule benötigt wurde. Was jetzt kam, war die Rückkehr in das ursprüngliche Domizil – freilich mit leichten Umwegen, doch führt der beste Weg ins Ziel meist nicht auf langen Geraden dorthin“, erklärt sie. Und in der Tat: Mazlum Oktay, Geschäftsführer des Pflegedienstes „Hand in Hand“, der das frühere AOK-Gebäude übernahm, stellt der Selbsthilfegruppe nun schon im dritten Jahr kurzerhand den Veranstaltungsraum zur Verfügung – just den, in dem 1999 ab dem zweiten Treffen alles begonnen hatte.
Der Raum ist ideal für die Gruppengröße: „Wir zählen derzeit 31 gelistete Personen, von denen zwischen 15 und 20 an unseren monatlichen Treffen teilnehmen. Diese sind an jedem ersten Dienstag eines Monats, außer bei Verschiebungen durch Feiertage, um 14.30 Uhr. „Es werden von den Fibromyalgie-Betroffenen bei den Treffen aktuelle Probleme und Fragen gemeinsam besprochen und, wenn erwünscht, auch medizinische Veröffentlichungen durchgesehen. Die Gruppenmitglieder kommen aus dem gesamten Neckar-Odenwald-Kreisgebiet sowie den angrenzenden Landkreisen“, informiert Ulrike Genzwürker. Regelmäßig kommen auch neue Betroffene dazu – und besonders wertvoll ist der Austausch von alten und neuen Gruppenmitgliedern: Genau davon lebt die Selbsthilfe.
Doch bis dahin war aller Anfang schwer – und so machte sich die Gruppensprecherin mit Unterstützung ihres Ehemannes oft an Wochenenden auf den Weg zu Selbsthilfetagen nach Mannheim und Heidelberg, um Kontakte zu knüpfen für Arztvorträge in Fachkliniken im Umland. „Für das Ehrenamt ist die Familie das kleinste Netzwerk, ohne das vieles nicht laufen würde!“, betont sie. Auch in menschlicher Hinsicht setzte sich die Gruppe ein großes Ziel: Man wollte ehrliche Hilfe geben, die beim Betroffenen ankommt. „Es gab damals auch plötzlich viele Angebote. Eine große Anzahl Betroffener griff nach jedem Strohhalm, mit der Hoffnung auf Linderung der Schmerzen, die das Leben bestimmten und dadurch wurden auch viele um eine Menge D-Mark ärmer“, erinnert sich Genzwürker im RNZ-Gespräch.
Inzwischen wurde die Selbsthilfe auch von höherer Stelle anerkannt: Seit dem 1. Januar 2008 sind die Krankenkassen durch die Schaffung des §20hSGB V zur Förderung der Selbsthilfe verpflichtet. So konnte die Selbsthilfegruppe Buchen dann auch für das jeweilige Kalenderjahr bis zum 31. März für Pauschalmittel einen Antrag stellen.
Einen weiteren Markstein setzte der 1. Januar 2011: Seit diesem Tag gibt es für den Neckar-Odenwald-Kreis das Selbsthilfenetzwerk im Mosbacher Standort der Neckar-Odenwald-Kliniken. Dort haben alle Selbsthilfegruppen eine Anlaufstelle, um sich halbjährlich zum Austausch zu treffen oder zum Informieren der Bevölkerung gemeinsam Selbsthilfetage zu gestalten.
Ab 2006 führt die Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe Buchen zudem mehrtägige Projekttage durch. „An diesen nehmen auch die Menschen teil, die für uns da sind, wenn es uns schlecht geht. Die Projekttage sind ein wertvoller Austausch vor Ort auch für die Begleitungen, und anschließend bei den monatlichen Gruppentreffen werden die dort durchgeführten Workshops zum Thema“, erläutert die Gruppensprecherin. Gleichwohl wird immer eine gute Unterstützung geboten: Die AOK unterstützt sie mit der projektbezogenen Förderung, berät bei der Antragstellung und prüft die Mittelverwendung. Ebenso fanden einige honorige Fachmediziner den Weg nach Buchen – und seit 2009 hält vor allem einer Vorträge, der zum „kleinsten Netzwerk“ gehört: Privat-Dozent Dr. Harald Genzwürker gestaltet regelmäßig Vortragsveranstaltungen. Eine weitere Stütze von diesem kleinsten Netzwerk ist Michael Genzwürker, der für alles sorgt, das mit Technik zu tun hat – etwa die Homepage, die WhatsApp-Gruppe und mehr, das in „digitaler“ Weise für den reibungslosen Ablauf der Selbsthilfegruppe erforderlich ist.
„Die Selbsthilfegruppe ist wie ein Uhrwerk, in dem die Gruppenmitglieder und Unterstützer dafür sorgen zum Wohl und zur Hilfe für Betroffene“, fasst Ulrike Genzwürker treffend zusammen. Dabei kommt auch die Geselligkeit nicht zu kurz – und im Schutz von Gleichgesinnten ist auch ein Tagesausflug im eigenen Rhythmus zum persönlichen Wohl. Deshalb gilt auch über das Jubiläum hinaus für die Selbsthilfe ein Motto: „Wichtig ist es, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das verringert zwar die Schmerzbeschwerden nicht, gibt aber jedem das gute Gefühl, niemals allein zu sein! (Aus der RNZ, geschrieben von Adrian Brosch)